In seinem Buch Der Bauplan zum digitalen Wandel schildert Alan Trefler eine neue Kundenspezies und bezeichnet sie als Generation D*. Es ist eine Kundenspezies, die sich den Unternehmen in einer ganz anderen Beziehung gegenüberstellt, als die bisherigen Generationen und aufgrund ihres Verhaltens die Apokalypse für viele Unternehmen bedeuten kann. Sie wollen Produkte und Dienstleistungen entdecken und fordern absolut naht- und reibungslose Betreuung von den Unternehmen. Dies steht in krassem Gegensatz zu Kunden, die sich von den Unternehmen verführen lassen.

Dieser neue Kundentyp wird als rücksichtslos und destruktiv beschrieben, sobald er negative Erfahrungen mit einem Unternehmen macht. Dann nutzt er das Internet, um einen Rachefeldzug gegen das Unternehmen zu führen und größtmöglichen Schaden anzurichten, ob das Unternehmen dann zugrunde geht, oder Arbeitsplätze verlorgen gehen interessiert einen Angehörigen der Generation D nicht. Er wendet sich an seine Community und fordert alle dazu auf, dieses Unternehmen zu boykottieren. Schnell entwickelt sich eine Macht, die ein Unternehmen in ernsthafte Probleme bringen kann.

Unternehmen, die künftig mit Kunden aus der Generation D zu tun haben, müssen sich also auf diesen Kundentyp einstellen und alles daran setzen, nicht durch einen Shitstorm vernichtet zu werden. Dass dies kein leichtes Unterfangen ist, stellt der Autor sehr plastisch und an vielen Beispielen aus der Wirtschaft dar. Manche Unternehmen stellen sich bereits auf diese neuen Kunden ein, andere haben noch gar nicht erkannt, dass hier eine Bedrohung schlummern könnte.

Als derzeit gehypte Möglichkeit mit den neuen Kundentypen umzugehen, nutzen viele Firmen Big Data. Diesen Ansatz verteufelt Trefler allerdings, weil man durch die Vielzahl von Daten nicht mehr durchblickt. Die Sammlung und Auswertung wird aufwändiger sein, als das es Hilfe bringt.

Daten sind für Trefler Erinnerungen, die das WER identifizieren. Diese Erinnerungen können zu gefährlichen Fehleinschätzungen führen, die selbst die Vorreiter der Social Media Kultur falsch deuten: Facebook versuchte einen Zusatzdienst namens Beacon starten. Darin sollten Daten von Webseiten von Drittanbietern gesammelt werden (Yelp, Blockbuster, HotWire und weiteren 44 Partner Websites). Diese Daten wurden im Newsfeed der jeweiligen Person angezeigt.

Es kam zu Protesten von den Benutzern und von Datenschützern.

Das WARUM und WAS klassifizieren die Absicht des Kunden.

Mit der Macht der Hypothese beschreibt Trefler die Möglichkeit, empirisch wissenschaftlich zu arbeiten. Mit der Beobachtung eines Vorgangs kann eine Hypothese aufgestellt werden mit der eine Vorhersage für den Ausgang getroffen wird. Durch ein geeignetes Experiment wird versucht, die Hypothese zu beweisen. Entweder es geschieht wie vorhergesagt, oder es kommt zu einem anderen Ergebnis. Dann wird eine Schlussfolgerung erstellt und ggf. eine neue Hypothese aufgestellt.

Zweifellos führt der Weg zu einer guten Kundenbeziehung über die Auswertung vorhandener Daten, die in einen Sinnzusammenhang gebracht werden müssen, bevor sie nutzbar gemacht werden können. Doch nur ein Teil der gesammelten Daten können hierfür ausgewertet werden. Es darf einem Generation D Kunden nicht bewusst werden, dass er überwacht oder gar kontrolliert wird.

Daten sollen nur im Rahmen dieser Kontextabhängigkeit erfasst werden. Am Ende geht es darum, dass ein Kunde mit einer Absicht und ein Unternehmen mit einer Absicht zusammen kommen.

Als wichtige Elemente für den Umgang mit Kunden aus der Generation D empfiehlt Trefler

  • Die kluge Sammlung von Daten über den Kunden, auf der individuellen Ebene, um genau die richtige Next-Best-Interaction zu definieren und auf der Ebene aller Nutzer/Kunden, um die optimale Next-Best-Interaction ermitteln zu können. Aus den statistisch verwertbaren Daten anderer Kunden kann somit ein personalisiertes Ergebnis für einen einzelnen Kunden erstellt werden. Keinesfalls soll sich der Kunde dabei jedoch überwacht fühlen. Er soll immer das Gefühl haben, alles selbst zu entdecken. Ungewöhnlich: der Autor rät dabei von Big Data ab, da zu viele Daten die Unternehmen überfordern würden.
  • Die Absichten des Kunden zu kennen, um immer die richtigen Angebote zur richtigen Zeit zu machen und somit alle Up- und Cross Selling Potenziale auszuschöpfen.
  • Nur Unternehmen, die es schaffen, mit reaktionsschnellen Prozessen auf Veränderungen reagieren zu können, werden die Generation D adäquat bedienen können.
  • Nur wenn die Systeme die richtige Menge an Daten hat und die Prozesse geeignet sind, flexible Lösungen zuzulassen und mit einem guten Urteilsvermögen kann die Next-Best-Action auf den Kunden losgelassen werden. Und die Volle Kraft ausschöpfen.

Für die Ausführungen zur Umsetzung von Kundenprozessen widmet Alan Trefler ein ganzes Kapitel. Er nutzt dazu die Metapher eines sportlichen Körpers. Es gibt die Erinnerungen (Daten), die Urteilsfähigkeit und Wünsche (Absicht) und die Muskelkraft (Prozesse). Dabei stehen die Muskeln als Basis für die Beweglichkeit und Agilität. Für die effizienten Prozesse benötigt man laut Trefler personalisierte Kunden (und dessen Daten), um eine auf jede Situation zurechtgeschnittene Interaktion anbieten zu können.

Wichtig ist, dass der Kunde keine Prozessnahtstellen zu spüren bekommt. Denn dies lässt ihn schnell skeptisch werden. Auch der Wechsel von einem Kanal in den anderen (z. B. das ¾ ausgefüllte Webformular, das abgebrochen wurde und der Prozess nun bei einem Bankangestellten weiter geführt werden soll) muss nahtlos erfahrbar werden. Die Kunden der Generation D wollen nicht hinter die Kulissen sehen um zu verstehen, wie komplex dies alles ist.

Dass Technologie in den von Trefler beschriebenen Firmen und Anwendungsfällen eine zentrale Rolle spielt ist selbstverständlich. Und doch sieht er hier großes Verbesserungspotenzial. Das Portfoliomanagement mit seiner Steuerung von großen Projekten verbaut die Sicht auf kleine und effektive Lösungen. Hohe Abhängigkeiten, die nie abgebaut werden sorgen für schwerfällige Prozesse. Zudem fehlt es an einer Business Sprache, mit der Computer gefüttert werden können, um die Aufgaben in den Fachbereichen auch von dort aus steuern zu lassen. Daraus ergeben sich die fünf typischen Erscheinungen in einer IT-Landschaft:

  • Zombie-Systeme: unwartbar gewordene Systeme, die anfangs gepusht wurden, später jedoch mehr und mehr ausgetrocknet wurden.
  • Manuelle Systeme: diese sollten helfen, die Zombie Systeme zu umgehen, hier kommen meist Excel Tabellen oder einfache Datenbanken ins Spiel. Von diesen unternehmenskritischen Prozessen werden viele nicht erkannt und stellen ein großes Ausfallrisiko dar.
  • Abtrünnige Systeme: Mitarbeiter bauen aus Frust auf die existierenden Lösungen eigene Lösungen, um Themen zu automatisieren.
  • Schatten IT: Lösungen werden ohne Genehmigung der Organisation erstellt, die Unternehmens-IT wird dabei umgangen. IT Abteilungen müssen oft Schadensbegrenzung betreiben, weil die Schatten-IT für große Probleme sorgt.

Da viele der Projekte mit agilen Methoden entwickelt wurden, könnte dies ja der Silberstreif am Horizont sein. Doch dazu ist nach Ansicht von Trefler die Auswirkung zu gering. Es bedarf vielmehr einer Agilen Kultur im Unternehmen, um an allen notwendigen Stellen, schnell und geeignet reagieren zu können.

Mit Hybridzüchtungen will Trefler Business und IT zusammenbringen. Die Kluft zwischen den Beiden Bereichen soll somit überbrückt werden. Die Vermischung unterschiedlicher Fachbereiche führt zu einem kreativen Ergebnis.

Doch es muss noch viel mehr erreicht werden. Die Führung muss neu ausgerichtet werden und Silos abgeschafft. Denn die Silos verhindern es dem Kunden einen Nahtlosen Prozess zu bieten, der über die Kanäle hinweg jederzeit gewechselt werden kann.

Dies alles hat auch Auswirkungen auf den CFO, der seine Einstellung zum Portfoliomangement ändern muss. Bezugnehmend auf die agile Kultur im Unternehmen werden künftige CFOs nicht mehr die Planung mit allen Details bekommen, um auf dessen Grundlage die GO oder NO-GO-Entscheidung zu fällen.

Die technologische Ausrichtung findet sich auch in Kapitel 7 wieder. Darin findet sich die These wieder, dass die Software die ein Unternehmen einsetzt der entscheidende Unterschied zu den Wettbewerbern ist. Mit drei einfachen Prinzipien kommen Sie ihrem Wettbewerber zuvor:

  • Demokratisieren der Technologie: damit ist die Nutzung von Technologie nicht mehr nur den IT-Mitarbeitern vorenthalten.
  • Denken in Schichten: dies ist ein Mittel, um mit der wachsenden Komplexität fertig zu werden.
  • Einsatz von Analysetools zur fortwährenden Selbstverbesserung

Hierzu ist ein Denken in Schichten notwendig, diese Schichten bilden die verschiedenen Facetten der Kunden ab und müssen effektiv verwaltet und bedient werden können.

Abschließend stellt Trefler die nächsten Schritte vor, um die neue Situation zu meistern.

Mit einem HD (High Definition) Bild des Kunden können die Erwartungen des Kunden erfasst werden und in den Interaktionen mit ihm genutzt werden.

Ihre Marktposition ist in Gefahr und sie sollten sich bewusst sein, dass dies durch die neuen Kunden kommt. Ändern Sie sich oder sie gehen unter.

Kalibrieren sie die Sicht auf die internen Partner und die verwendete Technologie nahezu alle Board-Members müssen sich auf neue Rollen einlassen und das Geschäft nicht wie gehabt führen.

Wer all diesen Wandel schafft, könnte vermutlich der Apokalypse die von Alan Trefler so düster geschildert wird entgehen. Trefler überspitzt und polarisiert die Einstellung einer Generation D. Die Tonalität in der er schreibt, gleicht der eines Kriegsberichterstatters. Er baut eine bedrohliche Kulisse der Dringlichkeit auf und nutzt die Elemente des Suspensekrimis, um die Geschwindigkeit in sein Buch zu bringen.

Klar erleben wir einen generationsgetriebenen Wandel und die digital Natives gehen mit den Dingen ganz anders um als die vorhergehenden Generationen. Doch ein wütender Kunde, der von einem Unternehmen enttäuscht wurde, reicht noch nicht aus, um ein Unternehmen in den Ruin zu treiben. Einige prominente Beispiele gibt es zwar, z. B. den chinesischen Aktivisten der Siemens Kühlschränke medienwirksam zerschlagen hat, weil Siemens es nicht schaffte, die Türen richtig anzubringen.

Dennoch muss es ein Aktivist erst einmal schaffen die kritische Masse zu erreichen, um einem Unternehmen schaden zu können. Die Gefahr geht meines Erachtens nicht nur von der Generation D aus. Auch andere Generationen können bei großen Enttäuschungen einen Streit vom Zaun brechen, der ganze Unternehmen durch Klagen in den Abgrund reißen können (wie die Klage einer Frau, die sich den Kaffee von McDonalds über die Beine geschüttet hatte).

Trotz allem zeigt das Buch auf, wie gut sich Unternehmen positionieren können, wenn sie den Kunden in den Mittelpunkt des Handelns stellen. Es zeigt, dass festgelegte Call Handling Zeiten nicht immer zu der Zufriedenheit beim Kunden führen, wie es die Kennzahl gerade zulässt. Das Unternehmen hierfür agiler werden müssen (nicht nur in der Entwicklung sondern kulturell durch alle Abteilungen) ist ein guter wenngleich auch schwieriger Ansatz.

Interessant ist auch der Blick auf die Analysetools, auch wenn sie nicht näher beleuchtet werden, handelt es sich doch um technologische Echtzeitsysteme, die das nötige Feedback geben sollen. Mit BI und ggf. langen Zeiten bis zur Auswertung kann man diese Anforderungen nicht erfüllen.

Alles in allem ist das Buch gut zu lesen und lenkt dank des polarisierenden Stils das Augenmerk auf die Veränderung in der Konsumentenlandschaft. Bald schon fragt man sich: „Wer ist eigentlich dieser Autor?“ und die Antwort ist dank Internet und Wikipedia schnell gefunden. Er ist der CEO von Pegasystems, einem Anbieter einer neuartigen Customer Relationship Management Software. Die Fallbeispiele sind allesamt Kunden von Pegasystetms.

Titel Der Bauplan für den digitalen Wandel
Untertitel Revolutionieren sie das Kundenerlebnis durch ständige digitale Innovationen
Autoren Alan Trefler, aus dem Englischen von Birgit Reit
Verlag Wiley Wiley VCH Verlag GmbH & Co. KGaA
ISBN 978-3-527-50854-9
Preis 22,99 Euro

Über den Autor

Alan Trefler Jahrgang 1956 ist Gründer und CEO von Pega Systems. Die Beispiele aus dem Bericht stammen fast durchgängig aus den Erfahrungen, die er mit den Top Kunden von Pega Systems gesammelt hat. Nach dem College hat Trefler als Senior Project Manager bei Casher Associates Inc. begonnen, einem Unternehmen das sich um Business Process Management kümmerte.
Im Jahre 1983 gründete er dann Pegasystems. 2009 bekam der den Preis für den Software Executive of the Year (Stevie Award).
Er ist ein passionierter Schachspieler und gewann viele Preise. Bis heute ist er CEO von Pega Systems

*Für seine Argumentation führt er gleich eine neue Reihenfolge ein. Da mit der Generations X auf die sich viele beziehen nur noch um zwei Stellen weiterführen lässt, schiebt er die Generation Y im Alphabet nach vorne und benennt sie Generation C (und er findet C eine gute Klassifizierung, weil es für Content stehen kann). Somit ist die Generation X die Generation B, die Generation Y (ab 80 geborene auch Millenials oder digital Natives genannt) wird zur Generation C und Trefler spricht viel über die folgende Generation, die er Generation D nennt.