Im Produktmanagement von komplexen Produkten können nicht alle Entscheidungen von Beginn an feststehen. Viele Anforderungen und Features konnten zwar klar definiert werden, andere wiederum lassen sich noch nicht festhalten, weil die Entscheidung fehlt.
Trotzdem kann man oft schon sagen, dass die Entscheidung schon mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vor der Tür steht. Oder man will die Entscheidung ja auch erst dann treffen, wenn man die welche Auswirkungen kennt und die Tragweite abschätzen kann. Produktmanager treffen dann Annahmen und das Team kann unter dieser Annahme weiter arbeiten. Alle Anforderungen werden nun basierend auf der Annahme; also vorbehaltlich erstellt.
Wenn diese Annahmen einmal getroffen wurden, können sie allerdings auch großen Schaden anrichten. Einige Teammitgliedern wissen nicht, dass es sich um eine Annahme handelt und agiert, als wäre es eine Entscheidung oder Festlegung. Auf der anderen Seite des Spektrums agieren Mitarbeiter, als wäre gar nichts festgelegt.
Es ist also notwendig, die Annahmen sauber und klar zu kommunizieren, droht doch andernfalls viel Aufwand zu verpuffen. Die Annahmen sind aber nur eine temporäre Erscheinung; sie dürfen nicht bis zum Produktstart überleben.
Strukturen für Unsicherheit
Deshalb empfiehlt es sich, die Arbeit mit Annahmen strukturiert anzugehen.
Wer Anforderungen und Features für seine Produkte strukturiert erfasst nutzt dazu meist ein Tool, in dem die unterschiedlichen Anforderungstypen erfasst werden. So gibt es Typen für Anforderungen, Features und Testaufgaben. Gerade in komplexen Produkten geht die Anzahl der Anforderungen und Features oft in die hunderte oder gar tausende. Ohne die Zuordnung zu Annahmen wird man später nicht mehr wissen, ob eine Anforderung oder ein Feature auf der Annahme beruhte oder auf stabilen Entscheidungen entwickelt wurde.
Gerade deshalb nutzt man Tools zur effizienten Verwaltung der Anforderungen. Im Bild kann man die Ergänzung des oben erwähnten Anforderungs- und Featuremodells erkennen. Hier gibt es jetzt eine Annahme.
Die Annahme wird mit folgenden Attributen dokumentiert:
- Beschreibung der Annahme
- Status der Annahme (ist die Annahme bestätigt oder noch nicht)
Somit gibt es eine klare Dokumentation der Annahme und jeder kann sehen, in welchem Status die Annahme ist. Dem Anforderungsmanager gibt es die Möglichkeit, regelmäßig die offenen Annahmen zu prüfen und gezielt Entscheidungen herbeiführen.
Gleichzeitig können nun basierend auf den Annahmen die Anforderungen und Features erstellt werden und mit der dokumentierten Annahme in Beziehung setzen. Diese bidirektionale Beziehung dokumentiert die Abhängigkeit der Features und Anforderungen mit der Annahme und der Anforderungsmanager oder Produktmanager sieht, welche Anforderungen zur Annahme gehören. Aber wenn man eine beliebe Anofroderung auswählt, kann man erkennen, ob sie sich auf eine Annahme bezieht oder nicht.
Regelmäßig prüft der Anforderungsmanager die Annahmen und verändert gegebenenfalls den Status. Wenn sich die Annahme besätigt kann die Arbeit, die in die abhängigen Anforderungen geflossen ist, übernommen werden. Damit hat man viel Zeit gewonnen. Sollte eine Annahme sich nicht bestätigen, müssen gezielt alle Anforderungen geprüft werden, die an dieser Annahme hängen. Tools mit einer Unterstützung für die Abhängigkeiten, ermöglichen jetzt einen einfachen Zugriff auf die erstellten Anforderungen.
Fazit
Dieses Vorgehen stellt einen pragmatischen Umgang mit auf Annahmen basierenden Anforderungen dar. Wenn in der frühen Phase eines Projektes noch viele Entscheidungen offen sind, kann es den Prozess der Produktentwicklung entscheidend verbessern. Eine ausstehende Entscheidung muss deshalb nicht zu einem zeitraubenden Blocker werden.
Auch wenn sich nicht alle Annahmen bestätigen kann dieses Modell helfen, die Unsicherheiten effizient zu verwalten und zu organisieren.